Dienstag, 27. Mai 2008

The Strokes feat. Regina Spektor - Modern Girls And Old Fashion Men

Als The Strokes Anfang 2001 mit ihrer „Modern Age EP“ auf den Plan traten, erschütterten sie die Musikwelt. Nach langen Jahren öder Regierung durch Limp Bizkit oder Travis war aus dem Nichts endlich eine Band am Start, die wieder die Welt bedeuten konnte.
Bereits nach der EP-Veröffentlichung (die im übrigen ein unbearbeitetes Demo war, das die Band an Rough Trade UK geschickt hatte) setzte der NME in einem seiner größten Momente der letzten 15 Jahre die Strokes mit einem schwarz-weiß Bild im Last-Gang-In-Town-Style auf das Cover und titelte: „The Strokes – Why New York’s Finest Will Change Your Live. Forever“.

Und wie sie recht hatten: The Strokes waren endlich wieder eine Band, die eine Zeitenteilung vornahm – es gibt die Jahre „vor den Strokes“ und die Jahre „nach den Strokes“. Die Garagepunkexplosion, die sie gemeinsam mit den Freunden von den White Stripes lostraten, sollte noch Jahre nachhallen. Indirekt bereiteten sie den Weg sowohl für die wichtigste britische Band seit den Stone Roses, den Libertines, wie sie auch über die ebenfalls befreundeten Yeah Yeah Yeahs den Post-Punk - und damit den Sound der letzten Jahre - beförderten.

Nachdem das Debüt „Is This It“ allerorten in einer Einmütigkeit - zurecht - gefeiert wurde wie man es selten erlebt hat (allein die Jahrescharts: Nummer 1 bei NME, Spex, Intro, Nummer 2 bei Rolling Stone, Musikexpress, Visions), stellte sich bei Album Nummer Zwei natürlich das Stone-Roses-Problem: wie wird man diesen Erwartungen nach so einem Debüt nur um alles in der Welt gerecht?

Die Strokes entschieden sich dezidiert gegen den Weg Richtung Pop und veröffentlichten mit „Room On Fire“ noch einmal ein ebenso spartanisch produziertes Album, das auf Background-Vocals oder große Refrains verzichtet und dem Minimalismus erneut den Vorzug gibt. Die Soundpalette hatte sich dennoch erweitert und Julian Casablancas von Reggaerhythmen („Automatic Stop“) über 60ies Soul („Under Control“) und New Wave (erste Single „12.51“) weitere Stilrichtungen in den Strokes-Sound integriert. Doch nur die zweite Single „Reptilia“, die sicherlich das härteste und kompakteste Lied darstellt, das die Strokes bis dahin produzierten (und so ein Hinweis war, wohin die Strokes mit „Juicebox“ einige Jahre später gehen würden), wurde ähnlich euphorisch wie das Debüt-Album aufgenommen.



Das Außergewöhnlichste war allerdings auf der b-Seite der Reptilia-Single (in Deutschland leider out of print) finden: ein Duett mit der damals noch recht unbekannten New Yorker Singer/Songwriterin Regina Spektor. „Modern Girls and Old Fashion Men“ hat natürlich wieder den üblichen Strokes-Sound, der in der Produktion an die 60er und 70er erinnert, aber klingt dank der weiblichen Vocals von Regina Spektor, die mit Julian Casablancas den Song im Zwiegespräch bestreitet, doch überraschend ungewöhnlich. Auch das Gitarrenspiel entfernt sich von den üblichen Strokes-Referenzen und erinnert mehr an The Smiths oder – dieses Mal tatsächlich! – Television.

Eine nette kleine Anekdote am Rande: Julian Casablancas ließ damals die erste Produktion des Single-Covers wieder einstampfen, weil er nicht wollte, dass der Song als „The Strokes featuring Regina Spektor“ veröffentlicht wird, sondern dass Miss Spektor im Mittelpunkt stehen sollte und die Strokes als Ehrerbietung nur als ihre Begleitband genannt werden. Deshalb ist auf dem offiziellen Single-Cover nun stattdessen „Regina Spektor And The Strokes“ zu lesen.





Weiterhören:
* Natürlich das Debütalbum der Strokes "Is This It", das immer noch die beeindruckendste Platte dieses Jahrzehnts ist.

* Aber auch Album Nummer zwei, „Room On Fire“, aus dem die A-Seite „Reptilia“ als zweite Single ausgekoppelt wurde, ist hervorragend und unverständlicherweise ziemlich unterschätzt.

Dienstag, 20. Mai 2008

Blur feat. Francoise Hardy - To The End (La Comedie) = french version

Es gibt wohl wenige britische Musiker, die so viele Genres mit derart viel Erfolg und Leichtigkeit durchspielten wie Blur-Frontmann Damon Albarn. Betrachtet man die frühe Blur-Geschichte von Madchester-Bandwagonjumper zu Britischen Traditionalisten scheinen zwei Songs zentral, um den späteren Albarn-Werdegang verstehen zu können.

Zwischen den beiden ersten Alben veröffentlichten Blur „Popscene“, einen großartigen amerikaverachtenden metallischen Punksong, der kommerziell derart übel floppte, dass die Band beinahe daran zerbrochen wäre. Albarn reagierte darauf in zwei gegensätzliche Richtungen: zum einen wandte er sich vom „Popscene“-Sound ab und ging in Richtung klassischen 60ies-Pop der Kinks („For Tomorrow“), zum anderen verstärkte er das Amerikaressentiment, das in „Popscene“ bereits vorherrschte, zum dominierenden Element Blurs. Die britische Phase begann.

Als mit „Parklife“ Album Nummer zwei dieser Phase erschien und so das Massenphänomen Brit-Pop geboren wurde, hatte Albarn seine Fähigkeit, Pop-Songs zu schreiben, perfektioniert. Von „Girls & Boys“ zu „Parklife“ war das Album randvoll mit potentiellen Singles.
Doch gerade die zweite Single „To The End“ deutete erstmals auf eine völlig andere Qualität Albarns hin. Er konnte nicht nur die schnellen Punkrotzer und die guten Kinks-Plagiate schreiben, nicht nur den quirky Popsong und das New Order Zitat heraushauen, nein, in „To The End“ (und auch „This Is A Low“) war erstmals eine world weariness in seiner Stimme zu hören, die die späteren Blur-Alben und das The Good, The Bad & The Queen Projekt bestimmen sollte.
„To The End“ geht dabei den ganzen Weg: Streicher, die großen Emotionen, der weibliche Gaststar, das wunderbare schwarz-weiß Video…
Bei der „Parklife“-Originalaufnahme übernimmt die weibliche Gaststimme Lætitia Sadier (Stereolab). Sadier singt dabei den französischen Refrain, während Albarn die englischsprachigen Verse übernimmt.

Doch es existiert eine andere Version des gleichen Songs, der sich noch weiter von der Indie-Song-Idee entfernt und den Streichern mehr Raum gibt. Interessanterweise versucht sich Damon Albarn nun auch selbst im französischen Text und die Gastsängerin wurde ebenfalls ausgetauscht: Francoise Hardy, die Göttin des französischen Chansons der 60er, übernahm den Sadier-Part und „To The End“ wird endgültig zu einem Song, den kein Suede, kein Oasis, Ocean Colour Scene - oder welcher Brit-Pop-Zeitgenosse auch immer - je hätte aufnehmen können. „To The End (La Comedie)“, wie die hier vorgestellte Version offiziell heißt, wurde 1995 als b-Seite von Blurs größtem Triumph und Beginn vom Ende ihrer britischen Phase „Country House“ veröffentlicht (ist leider derzeit auch out of print).

Beachtenswert ist im Übrigen auch das Video (zur Original-Version):



Blur spielen hier – teilweise in einem shot-by-shot-Remake – in einer Dreiminutenversion den Klassiker des französischen Avantgarde-Films „Letztes Jahr in Marienbad“ (1961) von Alain Resnais nach, der jedem im Übrigen wärmstens ans Herz gelegt wird und eine Filmerfahrung darstellt wie es wenige in der Geschichte des Kinos gibt.



Weiterhören:
* Das Mutteralbum des Originalsongs "Parklife", das immer noch das wichtigste Statement der Brit-Pop-Ära ist
* Albarns jüngstes Projekt The Good, The Bad & The Queen, mit dem er das beste Album 2007 aufgenommen hat.

Montag, 5. Mai 2008

Boy Division - Love Will Tear Us Apart

Download-Link

"Hamburgs bestgekleidete Coverband" mag wie ein Joy Division Tribute-Act aus der Gay-Szene klingen, doch mit den großen Depressiven aus Manchester als Referenzpunkt allein geben sie sich nicht zufrieden.

Boy Division spielen tatsächlich nur Cover. Eine Coverband? Die Gedanken driften zu Volksfest-Combos, zu Tribute-Mimikry, zu Bierseligkeit und Schunkeleien, doch genau diese Assoziationskette wird von Boy Division genüsslich durchbrochen.
Welche Coverband „singt“ denn auch ausschließlich durch ein Megaphon? Wer bastelt sich sein Schlagzeug aus einem Barhocker, zwei alten, zerbrechlichen Becken und einem Blecheimer?

Der heute vorgestellte Song „Love Will Tear Us Apart“ dürfte zu den meistgecoverten Liedern der Indiegeschichte gehören, aber Boy Division erreichen durch Reduktion und Noise tatsächlich, das Ding zu etwas neuem, anderen zu machen. Gerade die Respektlosigkeit wie hier mit einem Song umgegangen wird, der längst in jeden Kanon der modernen Pophistorie aufgenommen wurde, und die Verweigerung, sich in dessen Melancholie und Düsternis zu suhlen, hebt Boy Divisions Version von allen anderen Covern ab: they are putting the Joy into Joy Division.

So sehr Boy Division natürlich auch mit einem „Geniale Dilletanten“ Label spielen, sind sie bei allem Chaos doch handwerklich ohne Zweifel Profis: nicht umsonst spielt Kantes Chefgitarrist und Sport-Mastermind Felix Müller bei Boy Division Gitarre. So ist die Plattenaufnahme von „Love Will Tear Us Apart“ bei allem ewig herrschenden Durcheinander trotzdem geordneter als ein Liveauftritt der Band, was zweierlei Vorteile hat: zum ersten ist der Song über das reine Idee hinaus tatsächlich anhörbar und kickt Arsch ohne Ende und zweitens bleibt trotzdem die Notwendigkeit bestehen, die Hamburger live zu sehen. Denn erst dort entwickelt sich aus dem Konzept eine Party, wird der Gig zur Performance-Kunst.

* Boy Division: "Love Will Tear Us Apart" (2002)
* Homepage

Kaufen:
* auf dem Sampler "Bis auf weiteres eine Demonstration - Geräusche Für Den Tag Danach" des ZickZack-Labels erhältlich: kaufen